Was bedeutet eigentlich SYSTEMISCH?
- Posted by Ramona Vetter
- Date 31.07.2023
Wir reden immer davon, dass wir SYSTEMISCHE Coaches sind und Menschen zu SYSTEMISCHEN Coaches ausbilden. Aber was bedeutet das eigentlich?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns vor Augen führen, dass kein Mensch völlig isoliert existiert. Jede:r ist in verschiedene Systeme eingebunden. Dazu gehören u.a.
- Familie
- Partnerschaft
- Arbeit (Team, Abteilung, Unternehmen)
- Freunde
- …
Aber auch jeder Mensch selbst ist ein System für sich. Beim Systemischen Coaching haben wir nicht nur den einzelnen Menschen im Blick, sondern schauen auf die verschiedenen Systeme, denen er angehört. Weil wir wissen, dass eine Veränderung in einem System sowohl Auswirkungen innerhalb dieses Systems aber auch Auswirkungen auf andere Systeme haben kann.
Um das ein bisschen greifbarer zu machen, nehmen wir mal folgendes Beispiel:
Stell dir vor, du stehst morgens auf und hast starke Kopfschmerzen. Je nachdem, wie schmerzsensibel du bist, wird sich das ziemlich sicher auf deine Laune niederschlagen (Auswirkung im eigenen System). Du weißt, dass heute ein wichtiger Termin in der Arbeit ansteht, weshalb du dich nicht krank meldest, sondern eine Tablette nimmst, in der Hoffnung, dass die Kopfschmerzen dadurch verschwinden. Leider klappt das nicht und dein Part in dem Termin läuft mehr schlecht als recht, denn du bist aufgrund der Schmerzen sehr unkonzentriert (weitere Auswirkung im eigenen System). Im Anschluss an den Termin bittet dich dein Chef zu sich und ist sichtlich verärgert über deine Leistung (Auswirkung in einem anderen System). Das verhagelt dir komplett die Laune und du kommst abends ziemlich entnervt nach Hause. Beim Abendessen entfacht nach einem kleinen Konflikt mit deiner Partnerin/deinem Partner ein Streit (Auswirkung in einem anderen System). Die Kopfschmerzen vom Morgen sind sicherlich nicht die alleinige Ursache für den Streit am Abend, aber du siehst an diesem Beispiel sehr gut, wie sich Systeme gegenseitig bedingen.
Vielleicht hilft dir auch das Bild von einem Mobile, das ganz viele Stränge hat, an dem mehrere Elemente hängen. Wenn du ein Element anstupst, dann kommen auch die anderen Elemente in Bewegung. Je näher sie an dem Punkt sind, an dem du das Mobile angestupst hast, umso größer ist die Auswirkung.
Was bringt uns diese systemische Sichtweise?
Wenn wir mit dieser systemischen „Brille“ auf Menschen schauen, dann akzeptieren wir, dass es nicht immer nur eine Ursache gibt, sondern dass es mitunter ein komplexes Zusammenspiel von mehreren Dingen (Situationen, Ereignisse, Menschen…) ist, das zu einem Problem führt. Das heißt, wir versuchen, diese Komplexität zu erfassen bzw. unser Gegenüber dabei zu begleiten, dass sie/er es selbst erkennt. Es ist noch nicht einmal notwendig, dass wir als Coach das Problem vollständig verstanden haben. Manchmal kann es sogar hinderlich sein, wenn wir als Coach zu sehr davon überzeugt sind, dass wir genau wissen, worum es geht. Denn in diesem Moment laufen wir Gefahr, die Coachinghaltung zu verlassen. Aber darüber schreiben wir an anderer Stelle mal mehr.
Wichtig für uns als Coaches ist, dass wir dem System bzw. den Systemen des Coachees gegenüber ALLPARTEILICH sind. Wir schlagen uns nicht auf seine/ihre Seite und verbünden uns. Vielmehr bieten wir den geschützten Raum, den es braucht, damit unser Coachee auch andere Perspektiven einnehmen kann. Bleiben wir bei dem Beispiel oben: Dein:e Partner:in, mit der du abends in einen Streit gerätst, weiß vielleicht weder von den Kopfschmerzen noch von dem „verpatzten“ Termin noch von der Reaktion deines Chefs. In seinen/ihren Augen kommt der Streit aus heiterem Himmel bzw. aufgrund einer Kleinigkeit und er/sie versteht gar nicht so recht, was mit dir los ist.
Im Coaching wird diese Perspektive sichtbar, weil wir z.B. Fragen stellen wie:
- Angenommen, dein:e Partner:in wäre jetzt hier, was würde sie/er mir erzählen?
- Was glaubst du, denkt sie/er über den Streit, der da auf einmal losgebrochen ist?
- Was hättest du dir von ihr/ihm an diesem Abend gewünscht?
- Und was hat dich vielleicht abgehalten, das auszusprechen?
Vielleicht hast du Lust, das selbst mal auszuprobieren und einen aktuellen Konflikt näher anzuschauen. Überlege dir, was dein Gegenüber darüber erzählen würde und was du dir von ihr/ihm in der Situation gewünscht hättest.
Du hast noch Fragen zu diesem Beitrag? Dann schreib uns einfach an kontakt@kjfc-coaching-akademie.de.
Schön, dass du da bist!
Walther und Ramona